Andorra
(franz. Andorre), kleiner, seit länger als einem Jahrtausend bestehender
Freistaat auf der Südseite der östlichen
Pyrenäen, zwischen dem französischen
Departement
Ariége und der spanischen
Provinz
Lerida, nördlich von
Seo de Urgel, umfaßt das von hohen
Schneebergen umgürtete Thalbecken der Balira,
eines Nebenflusses des
Segre, mißt nach Strelbitsky 452 qkm (8,2 QM.) und umfaßt
sechs
Gemeinden: Andorra
,
San Julian, Encamp, Canillo, La Masana und Ordino. Andorra
hat schöne Waldungen und saftige Bergweiden, Eisengruben
und mehrere, aber noch unbenutzte
Mineralquellen (z. B.
Schwefelquellen in Escaldas); auch die in den
Bergen
[* 2] enthaltenen
Gänge von silberhaltigem
Bleiglanz sind noch unerschlossen. Die Einwohner, deren Zahl 1881
Rodriguez auf 15,000,
Reynald auf nur 6000 schätzte und Bladé nach einer Zählung 1875 auf 5800 angab, sind ein gutmütiges und arbeitsames,
gastfreies, streng sittliches und freiheitliebendes Völkchen katalonischer Abkunft und mit kanonischem
Dialekt.
Ihre Hauptbeschäftigung bilden
Ackerbau und
Viehzucht
[* 3] (namentlich
Schafe)
[* 4] und ganz besonders
Schmuggelhandel, außerdem
treiben sie
Handel mit
Holz
[* 5] und
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Holzkohlen, Eisenerz und Schafwolle. - Die Gründung des Freistaats wird Karl d. Gr. zugeschrieben, der ihn unter den Schutz des
Bischofs von Urgel gestellt haben soll. Später (1278) erhielt der Graf von Foix das Recht der Souveränität über diese Thäler
unbeschadet der Rechte der Bischöfe von Urgel, und als die Grafen von Foix Grafen von Béarn und Könige von
Navarra wurden, führten diese auch den Titel »Souveräne Fürsten par indivis des Thals von Andorra«.
Mit Heinrich IV. fiel sodann das
Oberlehnsrecht an die Könige von Frankreich unter Gewährleistung der republikanischen Freiheiten, und so steht heute Andorra
als
neutrales Gebiet unter dem gemeinschaftlichen Protektorat Frankreichs und des Bischofs von Urgel, bez. des
Papstes.
Die Republik wird durch einen Generalrat von 24 Mitgliedern regiert, welche auf vier Jahre durch vier Familienchefs einer jeden Gemeinde erwählt werden. Präsident des Rats ist ein Erster Syndikus, der, wie auch ein Zweiter, der jenem beigegeben ist, von den Räten selbst auf vier Jahre erwählt wird. Mit der Exekutive ist der Erste Syndikus betraut; die Justizverwaltung ruht in den Händen zweier Viguiers (Vikare, Statthalter) und eines Zivilrichters. Frankreich und der Bischof von Urgel ernennen je einen der Viguiers, den Zivilrichter ernennen beide abwechselnd.
Drei Deputierte leisten einen Eid in die Hände des Präfekten der Ostpyrenäen. Seit 1882 vertritt ein beständiger
Delegierter Frankreich den einheimischen Autoritäten gegenüber und in den Beziehungen zum Bischof von Urgel. Alle Jahre bezahlt
die Republik an Frankreich 960 Frank und an den Bischof von Urgel 425 Fr. nebst einigen Naturalien. Sitz der Regierung ist
Andorra
la Vieja, mit 600 (nach Rodriguez 2000) Einw. und einem interessanten alten Rathaus (Palais). San Julian hat 500 (3000)
Einw.
Vgl. Dalmau de Baquer, Historia de la republica de Andorra
(Barcelona
[* 7] 1849);
Bladé, Études géographiques sur la Vallée d'Andorre (Par. 1875);