mehr
Die dänische Gewaltherrschaft.
Dieser schmähliche Ausgang der schleswig-holsteinischen Erhebung, die zugleich als eine nationaldeutsche Sache angesehen worden war, erregte in Deutschland [* 2] zugleich Erbitterung und Beschämung. Wenn auch die Hauptschuld auf Preußen [* 3] fiel, dessen König die preußische Macht umso weniger für S. einzusetzen geneigt war, als er im Grunde dessen Erhebung als revolutionär verabscheute, so war doch auch der Mangel einer einheitlichen Organisation Deutschlands [* 4] Ursache der deutschen Niederlage gewesen, und das unglückliche Schicksal Schleswig-Holsteins bildete fortan einen Stachel, der das deutsche Nationalbewußtsein weckte und reizte. Es erschien als eine unauslöschliche Schande für das ganze deutsche Volk, daß es zusehen mußte, wie die Dänen in S. hausten.
Sie betrachteten dasselbe als erobertes Land, das durch seine »Rebellion« alle seine Rechte verwirkt habe. Eine Menge von Beamten, auch acht Kieler Professoren, wurden verjagt; das ganze reiche Kriegsmaterial wurde als Siegesbeute nach Dänemark [* 5] geschafft, den entlassenen Offizieren und Mannschaften jede Pension verweigert. Jedes Herzogtum erhielt durch Erlaß vom besondere Minister und Landstände. Diesen, die für Schleswig [* 6] in Flensburg, [* 7] für Holstein in Itzehoe zusammentraten, wurden im Oktober 1853 die Entwürfe der neuen Provinzialverfassungen vorgelegt; danach bildete Schleswig ein unzertrennliches Glied [* 8] des dänischen Reichs, Holstein einen selbständigen Teil der dänischen Monarchie, der mit derselben durch das Thronfolgegesetz vom auf immer vereinigt sei.
Obwohl beide Entwürfe von den Ständen verworfen wurden, wurden sie doch als gültige Verfassungen für Schleswig 15. Febr., für Holstein publiziert. Ebenso wurde die vom dänischen Reichstag beschlossene Gesamtstaatsverfassung den Herzogtümern ohne weiteres aufgedrungen. In dem gemeinschaftlichen Reichsrat war S. zur Minderheit verurteilt; bei der Steuerbewilligung und der Feststellung des Staatshaushalts waren seine Interessen nicht gewahrt, seine Domänen wurden für den Gesamtstaat in Anspruch genommen.
Armee und Flotte, Zoll, Post, Münze etc. waren fortan dänisch. Zwischen Schleswig und Holstein dagegen wurden möglichst viele Schranken aufgerichtet, das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht in Kiel [* 9] aufgehoben. In Nordschleswig oder »Südjütland« wurden die deutschen Geistlichen und Lehrer durch Dänen ersetzt und das Dänische als Kirchen- und Schulsprache rein deutschen Gemeinden aufgedrängt. Unter dem Beifall des dänischen Volkes, besonders der Bevölkerung [* 10] Kopenhagens, unterdrückten die dänischen Beamten, geschützt durch dänisches Militär, mit kleinlichem Haß jede Regung deutschen Nationalbewußtseins und erstickten jeden »Schmerzensschrei des verlassenen Bruderstammes«.
Indes die Herzogtümer wahrten mit männlicher Festigkeit [* 11] ihre Rechte. Im dänischen Reichsrat verlangten 1856 elf deutsche Mitglieder, an ihrer Spitze Scheel-Plessen, daß die Gesamtstaatsverfassung den Ständen der Herzogtümer vorgelegt werde, und als diese Forderung von den Dänen zurückgewiesen ward, protestierten sie gegen die Gültigkeit der Verfassung. Dies veranlaßte Österreich [* 12] und Preußen, bei Dänemark die 1851 und 1852 eingegangenen Verpflichtungen in Erinnerung zu bringen und nach längerm fruchtlosen Notenwechsel sich an den Deutschen Bund zu wenden.
Dieser erklärte daß die Gesamtstaatsverfassung sowie ein Teil der Provinzialverfassung für Holstein und Lauenburg [* 13] nicht als rechtsgültig zu betrachten und zu beseitigen seien, weil sie mit den Grundsätzen des Bundesrechts und mit den Zusagen von 1851 und 1852 in Widerspruch ständen. Aber erst als der Bund mit Exekution drohte, wurde die Gesamtstaatsverfassung für Holstein und Lauenburg außer Wirksamkeit gesetzt, jedoch zugleich erklärt, daß die Minister für Auswärtiges, Krieg, Marine und Finanzen auch in betreff Holsteins nur dem König verantwortlich seien. Es blieb daher der bisherige Zustand bestehen, nur daß Holstein und Lauenburg im Reichsrat gar nicht vertreten und Schleswig den Danisierungsgelüsten der eiderdänischen Partei erst recht preisgegeben war.
Jeden Antrag auf Verständigung über eine neue Gesamtstaatsverfassung erwiderten die holsteinischen Stände mit der Forderung voller Selbständigkeit und dem Hinweis auf das alte Recht der Verbindung mit Schleswig, ohne deren Herstellung kein wahrer Friede in S. möglich sei. Unter diesen Umständen gab König Friedrich VII. den Gedanken einer im Interesse der Dynastie erwünschten Gesamtmonarchie auf und schloß sich ganz der eiderdänischen Partei an, die schon lange, um Schleswig völlig einverleiben zu können, vorgeschlagen hatte, Holstein aus dem Gesamtstaat auszuscheiden, aber durch Beschränkung der Stände Dänemark ganz dienstbar zu machen. Zu diesem Zweck schied eine königliche Bekanntmachung vom Holstein und Lauenburg aus dem Gesamtstaat aus und setzte die Rechte der holsteinischen Stände auf das geringste Maß herab. Dagegen wurde im Herbste dem Reichsrat der Entwurf einer eiderdänischen Verfassung vorgelegt und von diesem 13. Nov. angenommen, welcher Schleswig völlig mit Dänemark verschmolz. Gegen die Verordnung vom 30. März hatte der Bund indes Einspruch erhoben, ihre Zurücknahme gefordert und, als diese nicht erfolgte, die Exekution in Holstein und Lauenburg beschlossen.
Der deutsch-dänische Krieg.
Da starb König Friedrich VII., und mit ihm erlosch die königliche Linie des Hauses Oldenburg. [* 14] Dem Londoner Protokoll gemäß folgte Christian von Glücksburg als Christian IX. auf dem Thron. [* 15] In den Herzogtümern, welche das Londoner Protokoll nie anerkannt hatten, wurde aber nicht er als rechtmäßiger Erbe angesehen, sondern der Prinz Friedrich von Augustenburg, dessen Vater, Herzog Christian, zwar beim Verkauf seiner Güter an Dänemark sich verpflichtet hatte, nichts gegen das Londoner Protokoll zu unternehmen, der selbst aber nie seine Zustimmung hierzu gegeben hatte.
Prinz Friedrich erklärte also 19. Nov. seinen Regierungsantritt als Herzog Friedrich VIII. von S., und dieser Akt wurde nicht bloß in S., sondern in ganz Deutschland mit Jubel begrüßt, da durch die Anerkennung des augustenburgischen Erbrechts S. von Dänemark getrennt und dem Deutschtum gerettet wurde. Der Bundestag, an welchen sich Friedrich VIII. um Anerkennung seines Rechts wandte, während der dänische Gesandte seine neue Vollmacht für Christian VIII. vorlegte, beschloß die einstweilige Suspension der holstein-lauenburgischen Stimme und 7. Dez. die Ausführung der Bundesexekution. Auf die Ankündigung derselben (12. Dez.) befahl die dänische Regierung die Räumung Holsteins durch ihre Truppen, und 23. Dez. rückten 12,000 Sachsen [* 16] und Hannoveraner unter dem sächsischen General Hake in Holstein ein. Kaum waren die Dänen abgezogen, als Herzog Friedrich überall als Landesherr ausgerufen und von einer großen Volksversammlung in Elmshorn [* 17] 27. Dez. ¶
mehr
zum Erscheinen in S. eingeladen wurde, während eine Versammlung von 500 Abgeordneten deutscher Ständeversammlungen in Frankfurt [* 19] 31. Dez. sich einstimmig für das Recht des Augustenburgers erklärte und den Sechsunddreißigerausschuß einsetzte, um dasselbe zur Anerkennung zu bringen. Ende Dezember traf Herzog Friedrich in S. ein und nahm in Kiel 30. Dez. seine Residenz, bildete auch ein Kabinett, respektierte aber die Bundesexekution und ihre Verwaltung.
Bei der Entschiedenheit, mit der sich in Kammern, Vereinen und Volksversammlungen, auch in Preußen, das deutsche Volk und mehrere hervorragende Fürsten für das Recht des Herzogs Friedrich und die sofortige Losreißung der Herzogtümer von Dänemark ausgesprochen hatten, erregte es das höchste Befremden, ja Entrüstung, als Österreich und Preußen erklärten, daß sie sich an das Londoner Protokoll für gebunden erachteten, und vom Bunde die Ausweisung des Herzogs aus S. verlangten, die abgelehnt wurde.
Man durchschaute nicht den Plan der von Bismarck geleiteten Politik der deutschen Großmächte, der allerdings die verblendete Hartnäckigkeit der Dänen zur Voraussetzung hatte, und war in Erinnerung an die Schmach von 1851 ganz von dem Argwohn beherrscht, daß dieselben auch diesmal nur S. an Dänemark ausliefern wollten. Der Bund weigerte sich daher 14. Jan., sich den weitern Schritten Österreichs und Preußens [* 20] anzuschließen, und diese gingen nun allein vor. Da Christian IX. unter dem Druck des Kopenhagener Pöbels die Verfassung für Dänemark und Schleswig sanktioniert hatte, forderten die deutschen Mächte daß diese den Vereinbarungen von 1851 und 1852 widersprechende Verfassung binnen 48 Stunden außer Kraft [* 21] gesetzt werde, widrigenfalls sie Schleswig als Pfand besetzen müßten. Im Vertrauen auf die früher bewiesene Schwäche und Uneinigkeit Deutschlands und die Hilfe der fremden Mächte, besonders Englands, dessen Minister Lord John Russell für das Londoner Protokoll und die Integrität der dänischen Monarchie in Noten lebhaft eintrat, wies Dänemark die Forderung Österreichs und Preußens 18. Jan. einfach ab, worauf diese erklärten, daß sie das Londoner Protokoll auch nicht mehr als bindend erachteten, und ihre Truppen, 28,500 Österreicher unter Gablenz und 43,500 Preußen unter Prinz Friedrich Karl, in Holstein einmarschieren ließen; den Oberbefehl erhielt der Feldmarschall v. Wrangel (Deutsch-dänischer Krieg).
Der Plan der verbündeten Truppen, welche 1. Febr. die Grenze von Schleswig überschritten, war: mit den Flügeln (preußischen Truppen) die Stellung der 30,000 Mann starken Dänen hinter dem Danewerk zu umgehen und ihnen den Rückzug abzuschneiden. Jedoch der unglückliche Angriff des Prinzen Friedrich Karl auf Missunde (1. Febr.) und das stürmische Vorgehen der Österreicher im Zentrum bei Overselk (3. Febr.) machte den dänischen Befehlshaber Meza auf die drohende Gefahr aufmerksam, und er entzog sich derselben, indem er in der Nacht vom 5. zum 6. Febr. das Danewerk räumte. Prinz Friedrich Karl, der bei Arnis die Schlei überschritt, kam nun zu spät, und nur die Österreicher erreichten die Dänen 6. Febr. noch südlich von Flensburg bei Översee und brachten ihnen empfindliche Verluste bei. Die dänische Armee zog sich teils in die Düppeler Schanzen, teils nach Jütland zurück. Die preußische Gardedivision folgte bis zur Nordgrenze Schleswigs und besetzte 19. Febr. Kolding.
Da die preußische Heeresleitung es versäumte, die Düppeler Schanzen sofort erstürmen zu lassen, und sich für eine förmliche Belagerung entschied, für welche das Material erst herangeschafft werden mußte, Österreich aber gegen ein Vordringen in Jütland zunächst Bedenken erhob, so gerieten die Kriegsunternehmungen ins Stocken. Zum Glück lehnte Napoleon III. eine bewaffnete Einmischung zu gunsten Dänemarks, die England vorschlug, ab. England allein wollte nichts thun, und Rußland war durch den polnischen Aufstand, in welchem ihm Preußen überdies wichtige Dienste [* 22] geleistet hatte, in Anspruch genommen. So gab Österreich seine Zustimmung zur energischen Fortsetzung des Kriegs.
Während 7. März die Verbündeten die Grenze Jütlands überschritten, wurde Mitte März die Beschießung, 28. März der förmliche Angriff auf die Düppeler Schanzen (s. Düppel) [* 23] durch Parallelen eröffnet und nach einer Reihe von Gefechten 18. April der Sturm unternommen, bei dem die Dänen unter großen Verlusten aus den Schanzen vertrieben wurden und sich nach Alsen zurückziehen mußten; die preußische Armee erlitt einen Verlust von 1200 Mann an Toten und Verwundeten. Darauf wurde Jütland bis zum Limfjord besetzt; Fredericia räumten die Dänen ohne Schwertstreich (28. April). Dem besetzten dänischen Gebiet wurde eine Kontribution von 650,000 Thlr. auferlegt zum Ersatz für den Schaden, den die Blockade der deutschen Seehäfen und die Aufbringung deutscher Schiffe [* 24] durch dänische Kreuzer verursacht hatten; denn obwohl die Preußen 10. März bei Jasmund in Rügen und die Österreicher 9. Mai bei Helgoland [* 25] einen Angriff auf die dänische Flotte gewagt hatten, war die Übermacht zur See doch noch auf dänischer Seite.
Auf Englands Betreiben wurde 25. April die Londoner Konferenz eröffnet, um eine friedliche Lösung der schleswig-holsteinischen Frage zu versuchen; der Deutsche [* 26] Bund war auf derselben durch Beust vertreten. Sie brachte 12. Mai einen Waffenstillstand, nicht aber eine Vereinbarung über S. zu stande. Die deutschen Mächte schlugen 17. Mai eine reine Personalunion zwischen Dänemark und S. vor. Dieselbe wurde aber von Dänemark ebenso zurückgewiesen wie eine Teilung Schleswigs nach der Sprachgrenze nördlich von Flensburg.
Preußen und Österreich sagten sich daher offen vom Londoner Protokoll los und verlangten 28. Mai im Verein mit Beust die vollständige Trennung der Herzogtümer von Dänemark und ihre Vereinigung zu Einem Staat unter dem Erbprinzen von Augustenburg. Da die dänische Regierung dies erst recht ablehnte, ging die Konferenz 25. Juni unverrichteter Sache auseinander. Der Krieg begann von neuem, und in der Nacht vom 28. auf den 29. Juni die Preußen unter Herwarth v. Bittenfeld über den Alsensund und eroberten die Insel Alsen nach kurzem Kampf; der Rest der dänischen Armee rettete sich nach Fünen.
Nun wurde das Land nördlich von Limfjord bis zum Kap Skagen besetzt und die Dänen von den friesischen Inseln vertrieben. Alles war für eine Landung der Verbündeten in Fünen und Seeland vorbereitet. Keine Hoffnung der Dänen auf fremde Hilfe erfüllte sich, und so gaben sie den weitern Widerstand auf. Die Feindseligkeiten wurden 20. Juli eingestellt und 1. Aug. zu Wien [* 27] die Friedenspräliminarien abgeschlossen; der definitive Friede von Wien wurde 30. Okt. unterzeichnet. König Christian IX. trat in demselben seine Rechte auf Schleswig, von dem nur kleine Striche an der Nordgrenze zu Dänemark geschlagen wurden, Holstein und Lauenburg an Österreich und Preußen zu freier Verfügung ab; die Kriegskosten und 20 Mill. ¶