Titel
Betriebssystem
(Wirtschaftssystem,
Landwirtschaftssystem,
Ackerbausystem,
Feldsystem). Der landwirtschaftliche Betrieb
ist die Verwendung der produktiven
Kräfte
(Boden,
Arbeit,
Kapital) zum
Zweck der Herstellung und eventuell des
Absatzes landwirtschaftlicher
Produkte. Die
Organisation dieses Betriebes kann eine sehr verschiedene sein, man unterscheidet danach verschiedene Betriebssy
steme.
Die Betriebssy
steme führen ihren
Namen nach der Art des Ackerbaubetriebes, weil diese die Grundlage des
Betriebes überhaupt ist und zunächst bei der
Organisation des letztern festgestellt werden muß.
Die hauptsächlichsten Unterscheidungsmerkmale derselben sind:
1) die Art der Fruchtfolge (Folge der Früchte nacheinander auf demselben Grundstück);
2) die Art der Feldeinteilung (Einteilung des landwirtschaftlichen Bodens in Ackerland und Grasland, des Ackerlandes in Pflugland und Brachland);
3) das
Maß der
Arbeits- und Kapitalverwendung auf gleicher Bodenfläche. Nach dem dritten Merkmal unterscheidet man extensive
und intensive Betriebssy
steme, je nachdem eine geringe oder große
Arbeits- und Kapitalverwendung stattfindet; nach allen
drei Merkmalen unterscheidet man als Hauptarten: die
Brandwirtschaft, die wilde
Feldgraswirtschaft, die
Felder- oder
Körnerwirtschaft, die geregelte Feldgras- oder
Koppelwirtschaft, die
Fruchtwechselwirtschaft, die
freie Wirtschaft.
Manche fügen dazu noch die
Weidewirtschaft und die
Wirtschaft mit technischen Nebengewerben.
1) Die Brandwirtschaft. Der Boden wird erst zum Ackerland hergerichtet durch ein Abbrennen der auf seiner Oberfläche, resp. in der obern Schicht befindlichen Hölzer oder Vegetabilien, die bisher die Verwendung zum Ackerbau nicht gestatteten. Die Asche dient als Dungmittel; durch den Brennprozeß selbst werden in der demselben unterworfenen Erde eine Reihe mineralischer Pflanzennährstoffe schneller, als es sonst geschehen wäre, löslich und für die nachfolgenden Feldgewächse sofort aufnehmbar gemacht, anderseits zerstört er aber auch organische Bodensubstanz, Humus.
Diese Wirkung ist nur da unschädlich, wo, wie in Urwäldern, Humus in überreichem Maß vorhanden ist. Die Brandwirtschaft kommt in sehr verschiedener Weise vor. In dünn bevölkerten Urwaldgegenden ist sie häufig die erste (und allein mögliche) Art der landwirtschaftlichen Benutzung des Bodens. Ein Ausroden der Bäume ist nicht möglich; es fehlen die Arbeitskräfte, auch ist das Holz [* 3] nicht absetzbar. Die Bäume sind nur ein Hindernis für die Bodenkultur. Man entfernt sie, indem man sie fällt und im folgenden Jahr verbrennt, oder indem man sie durch Abschälen der Rinde vertrocknen läßt und auf dem Stamm anzündet. Die Wurzeln und Stämme verfaulen allmählich. Nach dem Brennen wird die Asche ausgestreut, der Boden mit Pflug [* 4] oder Karst umgerissen und dann gesäet. Das Brennen ist hier in der Regel nur eine einmalige Maßregel der Urbarmachung des Urwaldes. Der Ertrag hängt von der natürlichen Bodenfruchtbarkeit ab und kann, ¶
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wo diese eine hohe, ein sehr großer sein. - Eine Brandwirtschaft andrer Art findet sich in dünn bevölkerten Steppengegenden (z. B. Südrußland, Mittelasien, südwestliches Sibirien). Die langen Gräser [* 6] der Steppe werden abgesengt, die Asche wird zerstreut, der Boden mit kurzen Pfählen umgebrochen; sodann wird gesäet, gewöhnlich nur Buchweizen, und nach der Ernte [* 7] das nicht sonst gebrauchte Stroh auf dem Feld verbrannt. Der Boden ist bald, nach 5-8 Jahren, erschöpft, man geht dann zu neuem über. - In Deutschland [* 8] und in andern europäischen Kulturstaaten kommt eine Brandwirtschaft in Moor- und Torfgegenden vor.
Dieselbe besteht darin, daß man die obere Narbe des Bodens mit dem Pflug abschält oder mit der Hacke loshaut, die Plaggen genannten Stücke auf kleine Haufen bringt, diese sodann einem mehr oder minder vollständigen Verbrennungsprozeß unterwirft, die Asche verteilt und nun pflügt, säet, erntet. Bei der eigentlichen Brandwirtschaft handelt es sich nicht um eine nur einmalige Maßregel zur Urbarmachung von Moor- und Torfland, damit die für den Feldbau hinderlichen Überreste der frühern Vegetation am schnellsten und gründlichsten zerstört und mineralische Pflanzennährstoffe löslich und disponibel werden, sondern um ein in bestimmten Zeiträumen wiederholtes Brennen.
Der abgebrannte Boden trägt einige Jahre, vielleicht mit etwas Nachhilfe von Dünger, Roggen, Buchweizen und Hafer; [* 9] dann überläßt ihn der Landwirt wieder der Natur und wiederholt nach einer Reihe von Jahren, wenn der Boden wieder zum Abbrennen geeignet geworden, dieselbe Bewirtschaftungsweise. Diese Brandwirtschaft ist ein Raubsystem, dessen fortgesetzte Anwendung den Boden mit der Zeit immer weniger geeignet zum Anbau von Feldfrüchten macht (bessere Kulturmethoden des Moorbodens sind unter andern die holländische Fehnkultur und die Rimpausche Dammkultur). - Im Schwarzwald und andern Gebirgsgegenden wird bisweilen eine Brandwirtschaft mit der Feldgraswirtschaft verbunden.
Felder, welche eine Reihe von Jahren als Weide [* 10] benutzt wurden und nun wieder zum Ackerbau dienen sollen, werden ähnlich wie in den Moorgegenden einem Brennprozeß unterworfen, nur daß man hier als Brennmaterial Reisig oder sonstiges Holz zu Hilfe nehmen muß. Man vernichtet hierdurch allerdings Unkraut und gewinnt durch die Asche für die nächsten Ernten einen Vorrat leicht löslicher mineralischer Pflanzennährstoffe, aber man nimmt zugleich dem Boden den größten Teil seines in den Gebirgsgegenden ohnehin geringen Humusgehalts. - Eine andre Form der Brandwirtschaft tritt in Gebirgsgegenden in Verbindung mit der Waldfeldwirtschaft auf (Hackwald-, Haubergs-, Röderwaldwirtschaft).
Man benutzt das Land 10, 15, 20, auch bis 30 Jahre zum Niederwaldbetrieb, brennt nach dem Abhauen des Holzes den Boden, baut
dann einige Jahre Getreide
[* 11] und läßt sofort oder nach einigen Jahren der Weidenutzung wieder den Waldbau
folgen. In Gegenden, wo wegen der Engigkeit der Thäler und Steilheit der Berge wenig Land für den dauernden Ackerbau vorhanden
ist, bietet dieses Betriebssystem
das Mittel, um das seiner Natur nach zur Holzzucht bestimmte Land wenigstens ab und zu für den Getreidebau
zu verwenden und dadurch die Produktion an Körnern und Stroh etwas zu vermehren, und es ist deshalb nicht
irrationell, um so weniger, als in der Regel durch den vorherigen Waldbetrieb der Boden so viel Humus hat, daß bei vorsichtiger
Anwendung des Brennprozesses die Verringerung desselben die Bodenfruchtbarkeit nicht
wesentlich verringert. Die Brandwirtschaft
ist das extensivste Wirtschaftssystem.
2) Die wilde Feldgraswirtschaft. Die Feldgraswirtschaft ist ein Betriebssystem
, bei welchem dasselbe Grundstück abwechselnd als Grasland
und Ackerland benutzt wird. Man unterscheidet die wilde und die geregelte Feldgraswirtschaft. Bei der wilden Feldgraswirtschaft
wird das Grundstück ein Jahr oder auch einige Jahre als Ackerland zum Getreidebau benutzt und dann eine
unbestimmte, lange Reihe von Jahren dem ohne menschliches Zuthun aufkommenden Graswuchs überlassen und als Weide verwendet.
Wie für die abwechselnde Benutzung als Gras- und Ackerland kein bestimmter Turnus innegehalten wird, so ist auch nicht das Verhältnis von Ackerland und Grasland in der Wirtschaft auf längere Zeit hinaus bestimmt. Wenn der Ertrag des Getreidelandes zu gering wird, überläßt man es dem Graswuchs, bricht von dem bisherigen Grasland, das durch die Rückstände der Weidepflanzen und den Dünger der Weidetiere reicher an Pflanzennährstoffen geworden, einen Teil auf und benutzt diesen zur Körnerproduktion.
Stalldünger wird dem Getreideland nie oder doch nur ausnahmsweise zugeführt. Das Getreideland ist aber
immer nur ein kleiner Teil des gesamten landwirtschaftlichen Bodens, wird auch sonst wenig bearbeitet. Der Ertrag des Ackerbaues
ist bei diesem Betriebssystem
gering, die Viehzucht
[* 12] ist der Hauptzweig der landwirtschaftlichen Produktion. Dieses Betriebssystem
war sehr wahrscheinlich
das ursprünglich in Deutschland herrschende und wurde später teils durch die Dreifelderwirtschaft, teils
durch die geregelte Feldgraswirtschaft ersetzt. In gebirgigen Gegenden hat es sich noch vereinzelt erhalten. Klimatische und
Bodenverhältnisse, welche hier nicht die fortwährende Benutzung der Grundstücke als Ackerland gestatten, und die Besitzverhältnisse,
welche die Anwendung der geregelten Feldgraswirtschaft nicht zulassen, zwingen, bei diesem sehr extensiven Betriebssystem
zu
bleiben.
3) Die Felder- oder Körnerwirtschaft. Bei diesem Betriebssystem
ist der landwirtschaftliche Boden streng und dauernd geschieden in Ackerland
und Grasland. Das Ackerland wird in gleichgroße Teile, Felder (Fluren, Zelgen), geschieden, ein Teil ist Brachland. Die Zahl
der Felder kann verschieden sein, 2, 3, 4, 5 und mehr (Zwei-, Drei-, Vier-, Fünf- etc. Felderwirtschaft),
in der Regel ist sie drei. In jedem Feld findet eine verschiedene Benutzung des Bodens statt. Das Feld, welches nicht Brachland
ist, wird mit dem Pflug bearbeitet und mit Frucht bestellt. Die Bodenfrüchte sind ausschließlich oder fast ausschließlich
Körnerfrüchte. Nach der Bearbeitung, resp. Benutzung des Brachlandes
scheidet man die reine Felderwirtschaft und die verbesserte Felderwirtschaft oder Felderwirtschaft mit besömmerter (»eingebauter«)
Brache. - Bei der reinen Felderwirtschaft dient das zur Brache bestimmte Feld nach der Ernte bis Johannis als Weideland, dann wird
es umgebrochen, gedüngt und zur Wintersaat (Weizen, Roggen) vorbereitet.
Die Hauptform derselben ist die reine Dreifelderwirtschaft (Dreifelderwirtschaft schlechthin). Sie war in
Deutschland (auch in vielen andern europäischen Staaten) seit dem Mittelalter bis zum Anfang dieses Jahrhunderts das verbreitetste,
vielfach ausschließlich übliche Betriebssystem.
Bei ihr war in regelmäßigem Turnus ⅓ des Ackerlandes Brachfeld, ⅓ mit Wintergetreide,
⅓ mit Sommergetreide (Gerste,
[* 13] Hafer etc.) bestellt. Die Stoppeln des Winter- und Sommerfeldes, deren Umbruch
erst im
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kommenden Frühjahr erfolgte, dienten ebenso wie das Brachfeld bis Johannis als Weide. Futterkräuter und Hackfrüchte wurden auf dem Ackerland nicht gebaut, das Viehfutter lieferten, mit Ausnahme des Hafers, lediglich die ständigen Grasweiden und Wiesen, die Rindviehhaltung war von dem Ertrag derselben abhängig. Den geringen Bedarf an Gemüse oder sonstigen nicht zu den Körnerfrüchten gehörenden Gewächsen deckte man durch Anbau in Gärten oder auf andern in der Nähe der Höfe gelegenen Grundstücken, die von der Dreifelderwirtschaft ausgeschlossen waren. Wo die landwirtschaftliche Bevölkerung [* 15] in Dörfern zusammenwohnte, war regelmäßig die ganze Feldmark in drei Teile geteilt; die Brach-, Winter- und Sommerfelder der Einzelnen bildeten je zusammenhängende Flächen.
Deshalb konnte der gesamte Viehstand eines Dorfs gemeinschaftlich auf dem Brachland und den Stoppelländereien geweidet werden;
es bestanden regelmäßig das Recht der gemeinsamen Brach- und Stoppelweide, meist auch Weiderechte der Grundherren;
die einzelnen Besitzer konnten ihre Grundstücke nicht anders benutzen, als es das System der Dreifelderwirtschaft ihnen vorschrieb;
insbesondere war thatsächlich und rechtlich eine Benutzung des Brachlandes durch Bestellung mit Hackfrüchten oder andern Gewächsen unmöglich.
Das ständige Weideland war hier gewöhnlich gemeinsames Eigentum und wurde von den Dorfgenossen gemeinschaftlich benutzt, die Pflege desselben aber sehr vernachlässigt. Die Wiesen waren zwar Eigentum der Einzelnen, aber es pflegte bloß ein Schnitt von denselben genommen zu werden, und sie wurden häufig im ersten Frühjahr und im Herbst nach der Heuernte auch noch beweidet und zwar von allem Dorfvieh gemeinschaftlich. Bei der reinen Dreifelderwirtschaft blieb also ein volles Dritteil des Ackerlandes für die Pflanzenproduktion unbenutzt, und eine reichliche Ernährung des Viehs konnte nur stattfinden, wo im Verhältnis zum Ackerland eine große Wiesen- und Weidenfläche von hoher natürlicher Fruchtbarkeit vorhanden war.
Dies Betriebssystem
ist noch ein extensives System, das wenig Arbeitskräfte und wenig Kapital erfordert. Seine Einführung war gegen früher
ein Fortschritt, es zwang die Landwirte zu einer geregelten Bestellung und Benutzung des Ackers und erhöhte
die Körnerproduktion. Und es war mit der Einfachheit, Regelmäßigkeit und Stetigkeit seines Betriebes ein rationelles System,
solange die landwirtschaftliche Bevölkerung dünn und geistig wenig entwickelt, die Einsicht in die Gesetze der Pflanzen- und
Tierproduktion gering, das Bedürfnis einer Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion nicht vorhanden war
und eine stärkere Verwendung von Arbeit und Kapital sich nicht entsprechend bezahlt gemacht hätte. Je mehr aber im Lauf der
Zeit diese Voraussetzungen fortfielen, verlor das System an seiner Berechtigung und machten sich die Nachteile, die hauptsächlich
in einer unvollständigen Ausnutzung der Bodenkräfte, in einer Verringerung der Bodenfruchtbarkeit und einer
Verschlechterung des Rindviehstandes bestanden, immer mehr fühlbar.
Eine Reform konnte aber nicht erfolgen ohne eine Änderung des bisherigen Rechtszustandes, insbesondere ohne Aufhebung des Rechts der gemeinsamen Brach- und Stoppelweide. Diese erfolgte vielfach schon im vorigen Jahrhundert. Die reine Dreifelderwirtschaft wurde nun ersetzt durch die verbesserte Dreifelderwirtschaft. Diese besteht darin, daß das bisherige Brachfeld ganz oder teilweise mit Früchten, die nicht zu den Getreidearten gehören, z. B. mit Klee, Kartoffeln, Rüben, Hülsenfrüchten etc., bebaut wird.
Die Vorzüge dieses Betriebssystems
vor der reinen Dreifelderwirtschaft sind: die Bodenkräfte werden besser ausgenutzt, und
es wird eine erheblich höhere Gesamtproduktion erzielt;
durch den Anbau von Viehfutter kann mehr Vieh gehalten und dieses besser genährt werden, die Viehhaltung wird unabhängiger von der vorhandenen Fläche an Wiesen und Weiden, und auch die Sommerstallfütterung des Rindviehs wird ermöglicht;
die reichlichere Fütterung bewirkt eine reichlichere Düngerproduktion, und dies wirkt wieder günstig auf die Erhaltung und Steigerung der Bodenfruchtbarkeit des Ackerlandes ein;
endlich können durch den Anbau von Wurzelgewächsen und sonstigen Hackfrüchten die Arbeitskräfte gleichmäßiger während des ganzen Sommers beschäftigt werden.
Aber das System hat noch die Nachteile: der Körnerbau überwiegt noch zu sehr;
dadurch, daß stets zwei Halmfrüchte aufeinander folgen, werden die chemischen wie physikalischen Eigenschaften des Bodens ungünstig beeinflußt;
für den Futterbau bleibt zu wenig Land übrig.
Die verbesserte Dreifelderwirtschaft hat heute noch in Deutschland und andern Ländern eine große Verbreitung, ist aber in der Gegenwart höchstens nur noch in Ländern zweckmäßig, wo wegen Reichtums des Bodens und dünner Bevölkerung eine starke Produktion von Getreide zum Zweck des Exports gerechtfertigt ist (Rußland, Nordamerika). [* 16] Bleibt ein Teil des Brachfeldes unangebaut, weil die reine Brache wegen zu starker Verunkrautung und schwieriger Bodenbeschaffenheit oder auch mit Rücksicht auf den Rapsbau nicht zu entbehren ist, und wird nun dieser Teil viel energischer behandelt (Umbrechen der Stoppel schon im Herbst, vier- bis fünfmaliges Pflügen), so spricht man von Felderwirtschaft mit schwarzer Brache.
4) Die geregelte Feldgraswirtschaft (auch Koppel-, Wechsel-, Schlagwirtschaft, in Süddeutschland stellenweise Eggartenwirtschaft genannt). Dieses in Dänemark, [* 17] in einzelnen Gegenden Englands und in den Marschgegenden des nordwestlichen Deutschland schon seit vielen Jahrhunderten bekannt, wurde 1783 (durch den Landdrost von der Lühe) in Mecklenburg [* 18] eingeführt und verbreitete sich von dort, allerdings in mannigfach veränderter und verbesserter Form, in den kontinentalen Küstengegenden der Nord- und Ostsee.
Bei diesem Betriebssystem
wird in fest bestimmter Zeit und Reihenfolge das Land eine Anzahl von Jahren zum Anbau von Getreide oder auch
von andern Gewächsen verwendet und dann ebenso eine Anzahl von Jahren als Weide benutzt. Das ganze Land
wird in Schläge eingeteilt. Der Graswuchs ist nicht mehr ein rein natürlicher, man säet in die Getreidefrucht, welche der
Weideperiode unmittelbar voraufgeht, Gräser, Klee oder sonstige Futterpflanzen ein. (Der Name Koppelwirtschaft erklärt sich
daher, daß in Holstein die einzelnen Schläge mit Gräben und Wällen, auf welch letztern lebendige Hecken,
sogen. Knicks, sich befinden, umgeben waren, um die Weidetiere am Ausbrechen zu verhindern und zugleich vor dem heftigen Wind
zu schützen, und daß man diese so eingefriedigten Schläge Koppeln nannte.) Die Fruchtfolge und Zahl der Schläge ist bei diesem
Betriebssystem
keine fest gegebene. Boden- und Marktverhältnisse bedingen hier Unterschiede. Man unterscheidet in
jenen Hinsichten verschiedene Arten der geregelten Feldgraswirtschaft, so die holsteinische, mecklenburgische, märkische und
andre Koppelwirtschaften. Bei der holsteinischen Koppelwirtschaft (die frühere ist unter dem Einfluß der Thaerschen Lehren
[* 19]
¶
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Titel
Betriebssystem
,
Ackerbausystem, landwirtschaftliches Betriebssystem oder Wirtschaftssystem, die Gesamtheit derjenigen Regeln und Grundsätze, nach welchen ein bestimmter Boden bewirtschaftet wird, um auf demselben die größtmögliche Menge Pflanzensubstanz hervorzubringen. Das Betriebssystem ist demnach der besondere Charakter, welchen eine Landwirtschaft annimmt infolge der Einwirkung von äußern, allgemeinen und lokalen Einflüssen. Bis zu gewissem Grade sind die Betriebssystem abgängig von den beiden Hauptfaktoren der Vegetation, Klima [* 20] und Boden.
Diese zu regeln und zu modifizieren, wie es dem jeweiligen Zwecke des Betriebes entspricht, ist Aufgabe der Wirtschaftskunst. Gewöhnlich macht man einen Unterschied zwischen extensivem Betrieb und intensivem Betrieb; bei dem erstern wird mit den möglichst geringen, bei letzterm mit den möglichst großen Mitteln der höchste Reinertrag oder die größte Bodenrente zu erzielen gesucht. Natürlich kann jedes System einer Wirtschaft ebensowohl extensiv als intensiv betrieben werden.
Neben Boden, Klima und Lage beeinflußt der Absatz oder die thunlichst vorteilhafte Verwertung der gewonnenen Produkte die Bildung eines am meisten. Die Aufstellung und Befolgung eines Betriebssystem ist keineswegs Bedingung der Produktion, im Gegenteil wird letztere auf dem weitaus größten Teil der Erde ohne ein solches erzielt. Die Bodenkultur auf ihrer niedrigsten und auf ihrer höchsten Stufe hat keine Systeme; diese bilden gewissermaßen nur den Leitfaden, mittels dessen sich die minder Vorgeschrittenen endlich bis zur völligen Freiheit des Betriebes hinanarbeiten. Die bestehenden landwirtschaftlichen Betriebssystem lassen sich in folgende Gruppen bringen ^[Doppelpunkt fehlt]
1) Die Brandwirtschaft. Die Vegetation eines Bodens wird in bestimmten Zeiträumen durch Feuer zerstört, das durch die Asche gekräftigte Erdreich als Acker bestellt, solange es sich hinreichend ertragsfähig zeigt, sodann wiederum dem Wildwachstum überlassen. Diese in uncivilisierten Gegenden häufige Kulturmethode ist auch in Deutschlands [* 21] Waldgebirgen noch hier und dort mit regelmäßiger Wiederkehr üblich. Als verbesserte Brandwirtschaft ist zu betrachten die im nordwestl.
Europa [* 22] noch vielfach durchgeführte Moorbrand-Plaggenwirtschaft. Sie ist auf dem Terrain der Heiden und Moore heimisch; die oberste Narbe des Bodens mitsamt der Pflanzendecke wird abgeschält, die «Plaggen» genannten Stücke werden in Haufen gesetzt, langsam schwelend verbrannt, die Asche verteilt und untergeackert. Hierauf wird das Neuland, vielleicht mit einiger Düngernachhilfe, mehrere Jahre hindurch mit Buchweizen, Roggen oder Hafer bestellt, alsdann der Natur überlassen; abermals überziehen es Heidekräuter oder Moorgräser, bis es wiederum reif ist zum Plaggenhauen. Diese Betriebsart verursacht den Höhenrauch (s. d.); sie ist schon den alten Römern bekannt gewesen, wie eine Stelle in Virgils «Georgica» zeigt. Zur Urbarmachung jungfräulicher Territorien ist überall die Hilfe des Feuers unentbehrlich. Nicht zu verwechseln mit der Moorbrandwirtschaft ist die in der neuesten Zeit so höchst erfolgreich eingeführte Melioration der Moordammkultur (s. Moorkultur) nach Rimpau u. a.
2) Die Koppel- oder Dreeschwirtschaft. Ein kleinerer Teil oder auch die Hälfte des Areals kommt unter den Pflug und wird jährlich mit Nutzpflanzen bestellt, der andere Teil bleibt zur Weide, aber im Wechsel mit dem ersten, liegen, und der Reinertrag wird aus der Viehzucht gewonnen. Bloße Gras- oder reine Weidewirtschaft, wie sie in den Marschen oder auf Gebirgsweiden sich findet, hat mit Ackerbau nichts zu thun; sie beschränkt sich auf die Erzeugung von tierischen Produkten.
3) Die Körnerwirtschaft widmet sich ausschließlich dem Anbau der Cerealien, welche nur mit dem Wechsel zwischen Winter- und Sommerfrucht aufeinander folgen; die hierdurch unausbleibliche Erschöpfung des Bodens wird auszugleichen gesucht durch die Brache, ein Jahr der Ruhe ohne Bestellung. Die Körnerwirtschaften heißen auch ¶
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Feldersysteme, und zwar nach der Anzahl der Felder oder Abteilungen eines Landguts, die nebeneinander mit verschiedenen Nutzpflanzen bestellt sind; sonach hat man Zweifelderwirtschaft, Dreifelderwirtschaft u. s. w. Letztere, schon bei den alten Römern allgemein und durch sie nach Deutschland gebracht, war und ist noch das verbreitetste aller Betriebssystem. Sie bringt nach Brache zweimal Getreide und muß das zur Produktion des Düngers notwendige Futter von außen, d. i. von Wiesen beziehen, ohne welche letztere sie nicht haltbar ist.
Durch die Einführung des Klees und der Kartoffeln wurden die Körnerwirtschaften in ihrem Wesen erschüttert; die letztern waren nicht anders unterzubringen als in der Brache, welche zu diesem Zwecke bestellt werden mußte. An die Stelle der reinen Brache, welche nach der Bearbeitung mit dem Pfluge den Namen Schwarzbrache führt, tritt also bei der «verbesserten Körnerwirtschaft» die grüne oder besömmerte Brache. Alle Körnerwirtschaften begünstigen vorzugsweise den Raubbau, die Ausbeutung der Pflanzennährstoffe des Bodens ohne genügenden Ersatz, zumal wenn sie nicht durch ein bedeutendes Areal an Weiden und Wiesen oder durch besondere günstige lokale Verhältnisse von außen unterstützt werden.
4) Die Wechselwirtschaft beruht auf dem Princip, daß nicht alle Nutzpflanzen dem Boden die gleiche Menge von Nährstoffen entziehen, sondern bald des einen, bald des andern in größerm Maße bedürfen, so daß, wenn z. B. der Acker durch den Bedarf einer Getreideernte die Fähigkeit verloren hat, eine zweite Getreideernte zu liefern, er immer noch im stande ist, eine gute Ernte an Hackfrüchten oder Futterkräutern zu gewähren. In diesem Falle hatte die Körnerfrucht den Gehalt des Bodens an Phosphorsäure, dessen sie zu ihrer Entwicklung bedarf, erschöpft, nicht aber denjenigen an Kali, den die nachfolgende Frucht dann vorwiegend in Anspruch nahm.
Das Wesen der Wechselwirtschaft besteht demnach darin, daß sie das Areal zur Hälfte mit Marktpflanzen, zur andern Hälfte mit Futtergewächsen bestellt. Allein auch diese Kombination schließt die Bodenerschöpfung keineswegs aus, sie verlangsamt sie nur. Der Fruchtwechsel (wie diese Wirtschaft ebenfalls häufig genannt wird) verstattet durchaus nicht eine völlige Wiedergabe aller dem Boden entzogenen Bestandteile der Pflanzennahrung: das verkaufte Getreide, die Wolle und die Milch der Tiere, die Mineralbestandteile und Proteinstoffe der Rübe und der Kartoffel, sie gehen meistens verloren für den Boden, der sie erzeugte, es muß daher eine Zeit kommen, wo der Boden daran darbt und dies in der Abnahme seines Produktionsvermögens deutlich zeigen wird.
Auf die Dauer kann die Wechselwirtschaft nur bestehen unter Beihilfe des sog. künstlichen Düngers, welcher dem Acker diejenigen Mineralbestandteile wiedergiebt, welche ihm trotz der reichhaltigen Unterstützung durch eine gesteigerte Viehhaltung dennoch entzogen werden. Da bei diesem Betriebssystem die Hälfte des Areals dem Futterbau gewidmet ist, so muß auch die Viehzucht die Hälfte des Reinertrags bringen. Die Wechselwirtschaft ist übrigens nicht, wie vielfach angenommen, neuern Ursprungs, sie ist gleichfalls schon den alten Römern bekannt gewesen und von ihnen geübt worden; sie schieden die für das Frumentum (Getreide) und die für die Leguminosen [* 24] (Futterkräuter) bestimmten Feldabteilungen voneinander und ließen dieselben in der Regel abwechseln. Die richtigen Gesetze der Wechselwirtschaft datieren aber erst seit den von Liebig aufgestellten Grundsätzen der Pflanzenernährung.
Die freie Wirtschaft ist kein eigentliches System; dieselbe bindet sich an keine andern Normen als an diejenigen des Gleichgewichts zwischen Erschöpfung und Ersatz; sie produziert, nicht was sie kann, sondern was sie will. Möglich ist es aber nur mit Erfolg, sobald genügende Betriebsmittel zu Gebote stehen und Intelligenz sie leitet. Das Wesen der freien Wirtschaft besteht darin, daß eine bestimmte Fruchtfolge niemals im voraus festgesetzt ist, ebenso die sich gleichbleibende Schlageinteilung des Ackerlandes wegfällt. Sie ist ein Industrialbetrieb, dessen Produktion sich der Nachfrage anzubequemen weiß; sie ist der Gipfel der Hochkultur.
Die geographische Verbreitung der Wirtschaftssysteme nachzuweisen, ist eine schwierige, bis jetzt nur mangelhaft gelöste Aufgabe. Der größte Teil der produktiven Erdoberfläche wird gegenwärtig noch gar nicht systematisch bewirtschaftet, sondern nur benutzt; den nächstgrößten Raum nimmt wahrscheinlich die freie Wirtschaft ein, welche in China, [* 25] Japan, Indien, Nordamerika vollkommen einheimisch ist. Die Verbreitungskreise der Körnerwirtschaft und der Weidewirtschaft halten sich so ziemlich die Wage; [* 26] die Brandwirtschaft findet sich nur vereinzelt.
Aus der Litteratur über die Betriebssystem sind hervorzuheben: Koppe, Revision der Ackerbausysteme (Berl. 1818);
Kreißig, Ökonomische und physik.
Beleuchtung [* 27] der wichtigsten Feldbau- oder Wirtschaftssysteme (Lpz. 1833);
Schwerz, Natur, Wahl und Wert aller bekannten Fruchtfolgen und Feldsysteme (Bd. 3 von dessen Anleitung zum praktischen Ackerbau, 3. Aufl., Stuttg. 1843);
Schober, Grundzüge zur Theorie der Wirtschaftssysteme (Anklam [* 28] 1846);
von Wulffen, Entwurf einer Methodik zur Berechnung der Feldsysteme (Berl. 1847);
Göriz, Die in Württemberg [* 29] üblichen Feldsysteme und Fruchtfolgen (Tüb. 1848);
Hlubek, Die Wirtschaftssysteme in national-ökonomischer, statist. und pekuniärer Beziehung (Prag [* 30] 1851);
Maron, Extensiv oder Intensiv? Ein Kapitel aus der landwirtschaftlichen Betriebslehre (Oppeln [* 31] 1859);
Themann, Der Fruchtwechsel und seine Bedeutung (Bonn [* 32] 1864);
Walz, Landwirtschaftliche Betriebslehre (Stuttg. 1867);
Themann, Die Wirtschaftsregulierung und Verkoppelung im nördl. Deutschland (2. Aufl., Oldenb. 1869);
Drechsler, Die Statik des Landbaues (Gött. 1869);
Komers, Die landwirtschaftliche Betriebsorganisation (2. Aufl., Prag 1876);
Delius, Die Reinerträge der Wirtschaftssysteme (Glogau [* 33] 1871);
Thaer, System der Landwirtschaft (Berl. 1877);
Settegast, Die Landwirtschaft und ihr Betrieb (3. Aufl., Bresl. 1885);
Krafft, Lehrbuch der Landwirtschaft, Bd. 4: Die Betriebslehre (4. Aufl., Berl. 1885);
Pohl, Landwirtschaftliche Betriebslehre (Bd. 1 u. 2, Lpz. 1885-89);
von der Goltz, Handbuch der landwirtschaftlichen Betriebslehre (Berl. 1886);
Fühling, Ökonomik der Landwirtschaft (ebd. 1889);
Dünkelberg, Die landwirtschaftliche Betriebslehre (2 Bde., Braunschw. 1889-90);
Bürstenbinder und Guradze, Intensiv oder Extensiv? (Berl. 1891).