Amphiktyǒnie,
Bund der
Amphiktyonen, bei den alten Griechen ein
Bund verschiedener
Stämme, die sich zu regelmäßigen
Festfeiern bei dem Heiligtume einer bestimmten Gottheit vereinigten, dabei gemeinsame Angelegenheiten berieten und Streitigkeiten
zwischen den Bundesgliedern beilegten.
In den ältesten
Zeiten gab es mehrere von denen aber die meisten (die zu Delos, auf
der
Insel Kalauria bei
Argolis und zu Onchestus in
Böotien) früh ihre Bedeutung einbüßten; dagegen blieb
bis in spätere
Zeiten bedeutend der umfassendste
Bund die pylisch-delphische Amphiktyonie
, deren Teilnehmer schlechtweg
Amphiktyonen
genannt werden.
Wie die
Stiftung dieses
Bundes anscheinend von den hellen. Völkerschaften
Thessaliens und seiner südl. Grenzländer ausgegangen
war, so war auch der älteste Mittelpunkt das Heiligtum der Demeter
[* 2] Amphiktyonis
in den Thermopylen bei der Ortschaft Anthela.
Dazu kam frühzeitig infolge der
Ausdehnung
[* 3] des
Bundes über das mittlere
Griechenland
[* 4] als zweiter Mittelpunkt
der
Tempel
[* 5] des
Apollon
[* 6] zu Delphi, der den von Anthela allmählich in den Schatten
[* 7] stellte. Mitglieder waren in älterer Zeit
die Thessaler, Perrhäber,
Magneten, Änianen, phthiotischen
Achäer,
Malier, Doloper, denen sich später die Lokrer, Phoker,
Dorer, Böotier und
Ionier (in
Attika und Euböa) anschlossen. Jeder
Stamm sandte zu den Versammlungen zwei
Vertreter (Hieromnemones), die zusammen den
Bundesrat (Synedrion) der
Amphiktyonen bildeten, in dem die Thessaler den Vorsitz
führten. Außerdem konnte jedes Bundesglied eine Anzahl Beigeordnete (Pylagoren) senden, die aber bei Verhandlungen des
Bundesrates nur beratende
Stimme hatten.
Die Zahl von 24 stimmberechtigten Mitgliedern des Bundesrates blieb bis auf die Zeit des Augustus, wenn auch in Mitgliedschaft und Verteilung der ¶
mehr
Stimmen vielfache, durch die polit. Verhältnisse der griech. Staaten veranlaßte Veränderungen eintraten. So wurden (wahrscheinlich zur Zeit des Peloponnesischen Krieges) die Delphier, deren Unabhängigkeit von den Phokern durch den Bund anerkannt wurde, als Bundesglied aufgenommen; 346, nach Beendigung des Phokischen (sog. Dritten Heiligen) Krieges, wurden die Phoker und die Spartaner aus dem Bunde ausgestoßen und statt ihrer die Macedonier aufgenommen, durch welche Maßregel der Bund zu einem Werkzeuge [* 9] der Politik König Philipps wurde.
Erst 278 wurden die Phoker wieder in den Bund aufgenommen; die Spartaner blieben auf immer ausgeschlossen. 338 traten statt der westl. Lokrer die Ätoler in den Bund ein und machten sich zur Zeit ihrer größten Macht um 221 v. Chr. für längere Zeit zu dessen Herren, indem sie die Mehrzahl der Stimmen im Bundesrate für sich in Anspruch nahmen, später wurden sie wie die Macedonier, wahrscheinlich auf Veranlassung der Römer, [* 10] wieder aus dem Bunde ausgeschlossen. Eine wesentliche Umgestaltung erhielt der Bund durch Augustus nach der Schlacht bei Actium; er ordnete an, daß außer Macedonien die von ihm gegründete Stadt Nikopolis in den Bund eintreten und der Bundesrat aus 30 stimmberechtigten Vertretern bestehen sollte. In dieser Verfassung bestand der Bund, ohne jedwede polit. Bedeutung, bis zum gänzlichen Verfall des delphischen Orakels fort. –
Vgl. Weiß, De foederis amphitctyonici disciplina (Dissertation, Berl. 1847);
Wescher, Étude sur le monument bilingue de Delphes (Par. 1868);
Bücher, Quaestionum Amphictyonicarum specimen (Bonn [* 11] 1870);
Weil, De amphictyonum delphicorum suffragiis (Berl. 1872);
Sauppe, Commentatio de amphictyonia delphica (Gött. 1873);