Borbetomagus
10 Wörter, 70 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Borbetomagus,
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Borbetomagus,
der alte Name von Worms.
[* 2] zum russ. Gouvernement Esthland [* 4] gehörige Insel, östlich von Dagö, 88 qkm (1,6 QM.) groß, ist im Innern ziemlich flach, im NW. mit Nadelhölzern, im übrigen mit Laubhölzern bewachsen und sehr zum Ackerbau geeignet.
Fast alle Einwohner sind schwedischen Ursprungs und haben ihre Sprache [* 5] und Gebräuche bewahrt;
sie beschäftigen sich mit Ackerbau, Viehzucht, [* 6] Bereitung von Ziegenkäse, Fischfang und sind gute Lotsen.
[* 2] 1) ehemals freie Reichsstadt und Sitz eines gleichnamigen Bistums, jetzt Kreisstadt der hess. Provinz Rheinhessen, links am Rhein, im sogen. Wonnegau, Knotenpunkt der Linien Mainz-Worms-Landesgrenze, Worms-Bingen, Worms-Offstein, Worms-Bensheim und Worms-Lampertheim der Hessischen Ludwigsbahn, 85 m ü. M., ist unregelmäßig gebaut und zum Teil noch mit alten Mauern und Türmen umgeben. Die Hauptplätze sind der Markt und Domplatz. Unter den Gebäuden steht der für den katholischen Gottesdienst bestimmte, jetzt restaurierte Dom voran. Er ist eine kolossale Pfeilerbasilika romanischen Stils und wurde an der Stelle eines ältern, aus dem Anfang des 11. Jahrh. herrührenden Gebäudes zu Anfang des 12. Jahrh. neu erbaut und 1110 eingeweiht.
In den letzten Jahrzehnten desselben Jahrhunderts den Einsturz drohend, wurde er hergestellt und 1181 abermals geweiht, aber erst nach mehreren Jahrzehnten vollendet. Der Bau wirkt besonders durch seine beiden Kuppelbauten und die vier Rundtürme auf den Beschauer und wird durch zwei Chorbauten am östlichen und westlichen Ende abgeschlossen. Das Innere ist 109 m lang und 27 m (im Querschiff 36 m) breit und imponiert durch seine großartige Einfachheit; bemerkenswert ist die gotische Taufkapelle durch ihre Kunstgegenstände.
Die evangelische Dreifaltigkeitskirche ward 1726 erbaut. Außerhalb der Stadt steht die Liebfrauenkirche, ein Bau aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrh., mit schönem Portal, bemerkenswert besonders wegen der Rebenpflanzungen, welche sie umgeben und die bekannte »Liebfrauenmilch« liefern. Die Synagoge ist eins der ältesten jüdischen Gotteshäuser in Deutschland; [* 7] der Judenkirchhof ist reich an alten Inschriften. Das großartige Lutherdenkmal (von Rietschel entworfen, von Kietz u. Donndorf vollendet, s. die Hauptfigur der Tafel »Bildhauerkunst [* 8] IX«, [* 9] Fig. 4) steht auf dem Lutherplatz, unweit des Bahnhofs, und wurde 1868 enthüllt.
Andre bemerkenswerte Gebäude sind: das 1883-85 teilweise umgebaute Stadthaus, das im Pavillonsystem aufgeführte neue Krankenhaus, [* 10] das Volkstheater mit Festhaus;
auf dem Unterbau des ehemaligen Bischofshofs (Sitz des Reichstags von 1521), auf der Nordseite des Doms, steht gegenwärtig das Heylsche Haus, in dessen sehenswertem Garten [* 11] sich großartige Treibhäuser befinden.
Die Zahl der Einwohner beträgt (1885) mit der Garnison (ein Inf.-Bat. Nr. 118) 21,903, meist Evangelische. Die Industrie besteht in Fabrikation von Leder, Kunstwolle, Wasserglas und Schmierseife, Kaffeesurrogaten, Knochenpräparaten, Schiefertafeln, Öl, Malz, Maschinen, Buchdruckerpressen, Drahtwaren, Konserven, künstlichen Steinen, Dégras, Möbeln etc., ferner Kammgarnspinnerei, Tuchweberei, Bierbrauerei [* 12] u. berühmtem Weinbau. Der Handel, unterstützt durch eine Handelskammer und eine Reichsbanknebenstelle (Umsatz 1887: 74,3 Mill. Mk.), ist sehr lebhaft, bedeutend besonders in Wein, Leder, Getreide [* 13] (besonders Gerste), [* 14] Mehl [* 15] und Mühlenfabrikaten etc. Im Hafen kamen an 1887: 1923 Schiffe [* 16] mit 81,429 Ton. Ladung; es gingen ab: 1491 Schiffe mit 17,340 T. Ladung. Worms ist Sitz eines Kreisamtes, eines Amtsgerichts, eines Hauptsteueramtes und hat ein Gymnasium mit Realklassen, eine höhere Privatlehranstalt für Landwirte und Brauer, ein großes Hospital, ein neues Krankenhaus etc. Worms ist ein in der deutschen Heldensage mehrfach genannter Ort; es ist der Schauplatz der Nibelungensage; ein Distrikt jenseit des Rheins heißt der »Rosengarten«.
Worms, das alte Borbetomagus, zu Ariovists Zeiten Hauptstadt der Vangionen, ward von Drusus befestigt, im 5. Jahrh. Residenz des burgundischen Reichs, von den Hunnen zerstört, aber von den Merowingern wieder aufgebaut. Seit dem 8. Jahrh. bestand hier eine königliche Pfalz, in welcher z. B. Karl d. Gr. bisweilen Hof [* 17] hielt. Bei der Teilung unter Ludwigs des Frommen Söhne fiel Worms Ludwig dem Deutschen zu. Zunächst residierten hier fränkische Grafen, bis die Grafschaft in den Besitz des Bischofs kam und Worms eine bischöfliche Stadt wurde.
Burchard I. (1000-1025) zerstörte die alte Stammburg des salischen Geschlechts, um aus ihren Steinen ein Münster [* 18] zu bauen; er hat die Rechtsverhältnisse des Stifts und der Stadt durch ein »Dienstrecht« geordnet. Der Widerwille der Städter wider ihren geistlichen Herrn offenbarte sich vornehmlich in der Parteinahme für Heinrich IV. 1073, der dann Worms durch einen Freibrief belohnte. Heinrich V. kam jedoch erst durch das Würzburger Abkommen (1121) in den Besitz der Stadt; er baute im N. davon bei Kloster
[* 2] ^[Abb.: Wappen [* 19] von Worms.] ¶
Neuhausen eine Burg und verlieh Worms umfassende Privilegien, die Friedrich I. später bestätigte. Die Schritte, welche König Heinrich 1233 gegen die Freiheit der Stadt that, wurden bald von Friedrich II. rückgängig gemacht. Sie ist bis 1801 freie Reichsstadt geblieben. 1122 wurde hier das bekannte Konkordat zwischen Kaiser Heinrich V. und dem Papst Calixt II. geschlossen und dadurch der Investiturstreit entschieden. (Vgl. Bernheim, Zur Geschichte des Wormser Konkordats, Götting. 1876) Unter den Reichstagen, welche hier gehalten worden, sind der von 1495 unter Maximilian I., auf welchem der Ewige Landfriede beschlossen und das Reichskammergericht gestiftet wurde, und der von 1521 unter Karl V., auf dem Luther verhört wurde, die berühmtesten. (Vgl. Soldan, Der Reichstag zu Worms 1521, Worms 1883) Es fanden daselbst 1540 und 1557 Religionsgespräche statt.
Gegen Ende des Mittelalters hatte die Stadt, welche zu Anfang des 14. Jahrh. gegen 60,000 Einw. zählte, als Glied [* 21] des Rheinischen Städtebundes große Bedeutung in den Fehden der benachbarten Fürsten erlangt. 1632 eroberten sie die Schweden [* 22] und 1635 die Kaiserlichen; 1644 nahmen sie die Franzosen durch Kapitulation ein, zogen jedoch nach dem Frieden wieder ab. Obschon die Stadt dadurch viel litt, so hatte sie doch 1689, wo sie 31. Mai von den Franzosen unter Mélac gänzlich in Asche gelegt ward, noch 30,000 Einw. Am wurde hier zwischen England, Österreich [* 23] und Sardinien [* 24] der Wormser Traktat, ein Offensivbündnis, abgeschlossen. Zu Anfang Oktober 1792 nahmen die Franzosen unter Custine die Stadt durch Überfall. 1801 fiel sie durch den Lüneviller Frieden an Frankreich, kam aber 1814 durch den Pariser Frieden wieder an Deutschland und 1815 durch den Wiener Kongreß an Hessen-Darmstadt. Am wurde die von badischen Freischärlern besetzte Stadt durch Mecklenburger und Preußen [* 25] erstürmt. - Das ehemalige Bistum Worms ist in der Merowingerzeit gegründet worden, obwohl sich eine fortlaufende Bischofsreihe erst seit 770 aufstellen läßt. Es hatte zuletzt ein Areal von 440 qkm (8 QM.) mit etwa 200,000 Einw. und 85,000 Guld. Einkünften und wurde seit dem 17. Jahrh. meist von dem Erzbischof zu Mainz [* 26] verwaltet, der deshalb Sitz und Stimme auf dem Reichstag und das Direktorium auf dem oberrheinischen Kreistag hatte. Es kam 1801, soweit es auf dem linken Rheinufer lag, an Frankreich, der auf dem rechten Rheinufer befindliche Teil 1803 an Hessen-Darmstadt.
Vgl. Schannat, Historia episcopatus Wormatiensis (Frankf. 1734);
Arnold, Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte im Anschluß an die Verfassungsgeschichte der Stadt Worms (Gotha [* 27] 1854, 2 Bde.);
Fuchs, [* 28] Geschichte der Stadt Worms (Worms 1868);
Becker, Beiträge zur Geschichte der Frei- und Reichsstadt Worms (Darmst. 1880);
Boos, Urkundenbuch der Stadt Worms (Berl. 1886 ff.);
Soldan, Die Zerstörung der Stadt Worms (Worms 1889);
Canstatt, Die Drangsale der Stadt Worms und ihre Zerstörung durch die Franzosen (das. 1889);
Heilmann, Führer durch Worms (das. 1889). -
[* 2] 1) Jules, franz. Maler, geb. zu Paris, [* 30] war Schüler von Lafosse und bildete sich dann auf Studienreisen in Spanien, [* 31] aus dessen Volksleben er fast ausschließlich die Motive zu seinen meist humoristischen, durch glänzende Färbung und lebendige Charakteristik ausgezeichneten, sehr zahlreichen Genrebildern entnahm. Seine Hauptwerke sind: Verhaftung wegen Schulden, Romanzero zu Burgos, Wirtshaus in Asturien, Auszug der Schmuggler, Rennen zu Novillos, Kellner und Kellnerin aus Aragonien, das Lied, das eben Mode ist (1868, in der Luxembourggalerie), Verkauf eines Maultiers, Schafschur in Granada, [* 32] die Erbtante, Pferdehändler in Granada, der Vitotanz in Granada, ein Sensationsroman, der Ausmarsch zur Revue, die Lieblingsblume, der zerstreute Barbier, jedes Alter hat seine Freuden, vor dem Alkalden. Worms hat auch zahlreiche Aquarelle gemalt und Zeichnungen für den Holzschnitt geliefert.
2) Emile, franz. Nationalökonom, geb. zu Frisange in Luxemburg [* 33] von französischen Eltern, studierte in Heidelberg [* 34] und war zuerst Advokat, später Professor in Paris, bis er an die juristische Fakultät nach Rennes berufen ward, wo ihm 1876 der Lehrstuhl für Nationalökonomie übertragen ward. Von seinen Schriften sind hervorzuheben: »Histoire de la Ligue Hanséatique« (1863);
»Sociétés par actions et opérations de bourse« (1867);
»Traité complet et élémentaire de circulation monétaire et fiducière« (1868);
»Histoire du Zollverein allemand« (1874);
»Sociétés humaines et privées« (1874);
»Exposé élémentare de l'économie politique à l'usage des écoles« (1879);
»Les écarts législatifs« (1887);
»De la liberté d'association« (1887);
»De la propriété consolidée« (1888) u. a.